Wochenbericht vom 19. September bis zum 02. Oktober 2016

Sejm - Polnisches Parlament
Sejm - Polnisches Parlament

Woche 1: 19. bis 25. September

Dieser Wochenbericht erfolgt mal wieder in Form eines 2-Wochen-Berichtes, da zwischen der ersten und zweiten Woche keine Zeit zum Verfassen eines Berichtes verblieb.

Montag

Der Montagmorgen der ersten Woche war zugleich der erste Tag der Reise des Wirtschaftsausschusses des Landtages nach Polen. Erst am späten Sonntagabend waren wir in unserem Hotel in Warschau angekommen, wo wir bereits von einer Vertreterin von NRW.INVEST erwartet worden waren. Sie hatte auch dafür gesorgt, dass wir trotz später Stunde noch einen kleinen Imbiss bekamen.

So begann der erste Morgen der Polenreise in Warschau mit einem kurzen Spaziergang zur Deutschen Botschaft. Es ist üblich, dass Delegationen des Landtages zunächst durch den Botschafter/die Botschafterin über die aktuelle Lage des Landes informiert werden. In unserem Fall war der Botschafter verhindert, da sich der deutsche Außenminister Steinmeier zeitgleich in Warschau aufhielt. Aus diesem Grund übernahm der Gesandte, also der Stellvertreter des Botschafters, das Briefing. Diese Informationen sind deshalb sehr interessant, da man von Deutschland aus in der Regel sehr viel weniger von der Politik eines Landes mitbekommt.

Da wir als Delegation des Wirtschaftsausschusses Polen besuchten, schloss sich an die allgemeinen Informationen noch eine gesonderte Information durch den Vertreter der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer an. Zum Schluss gab es noch weitere Detailinformationen durch die Geschäftsführerin von NRW.INVEST und der Repräsentantin von NRW.INVEST in Warschau. Letztere sollte uns die gesamte Woche begleiten.

Da es inzwischen Mittag geworden war, gingen wir zu einem Arbeitsessen in ein nahegelegenes Restaurant. Dort erhielten wir zum Abschluss des Informationsblocks noch ein Briefing zur Wirtschaftssituation in Polen durch Vertreter von Deloitte Polska und der Leiterin des International Desk der m-Bank (Tochter der Commerzbank). Damit waren wir für die kommenden Begegnungen und Gespräche gut vorbereitet.

Gleich nach dem Essen fuhren wir zu einem Firmengespräch zur Firma Hoesch, die von dem polnischen Unternehmen Sanplast vor einiger Zeit aufgekauft worden war. Mit dabei war der Firmengründer von Sanplast. Er schilderte die Vorzüge von Investitionen in deutsche Unternehmen, so auch die Erschließung des deutschen Marktes. Auf der anderen Seite konnten bei Hoesch in Deutschland durch die Übernahme aus Polen zahlreiche Arbeitsplätze erhalten bleiben, die ansonsten wohlmöglich verloren gegangen wären.

Zum Schluss besuchten wir noch das polnische Parlament, den Sejm. Hier hatten wir einen Meinungsaustausch mit dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses.

Dienstag

Schlesisches Museum Kattowitz
Schlesisches Museum Kattowitz

Am nächsten Morgen hieß es aus dem Warschauer Hotel auszuchecken, denn wir machten uns auf den Weg ins Revier nach Schlesien. Erster Zwischenstopp war in Lodz. Hier besuchten wir ein weiteres Unternehmen, das sowohl in Polen als auch in Deutschland, in NRW, produziert. Medort ist eine Unternehmensgruppe, die sich auf die Produktion, den Großhandel und den Einzelhandel von home care-Reha- und nicht-invasiven orthopädischen Produkten spezialisiert hat. Sie hatte im November 2013 die im lippischen Kalletal ansässige Firma „Meyra-Ortopedia“ nach deren Insolvenz übernommen. Erneut ein Beispiel, wie deutsche Arbeitsplätze dank polnischer Investoren gerettet werden konnten.

Das Unternehmen befand sich auf einer ehemaligen Industriebrache. Auf dem gesamten Gelände war eine Wirtschaftssonderzone geschaffen worden. Ein Versuch von Polen den auch dort unübersehbaren Strukturwandel in den Griff zu bekommen. Ob das allerdings gelingen wird, wird sich noch zeigen müssen. Zumindest die Stadt Lodz bot einen ausgesprochen desolaten Anblick. Dort war der Verlust an Arbeitsplätzen und Wirtschaftskraft deutlich sichtbar.

Von Lodz ging es am Nachmittag weiter in Richtung Kattowitz. Unterbrochen wurde die Fahrt allerdings durch die Besichtigung des Pilgerortes Tschenstochau. Die Klosteranlage, die hoch über der Stadt thront, ist der Magnet der Stadt und führt jedes Jahr Millionen von Pilgern in die Region.

Am Abend erreichten wir schließlich unser Hotel in Kattowitz, welches uns die nächsten drei Nächte beherbergen sollte.

Mittwoch

Gleich am Mittwochmorgen machten wir uns auf den Weg nach Chorzów.

Dort besichtigten wir die Firma GEMO Silesia Sp. Stammsitz des traditionsreichen Unternehmens ist Krefeld. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 500 Mitarbeiter an sechs Standorten weltweit und beliefert rund um den Globus Abnehmer aus der Automobilbranche sowie aus Industrie und Handel. Produziert werden biegsame Wellen, Steigungskabel, Seilzüge, PKW/Nutzfahrzeugersatzteile. Also ein gutes Beispiel für ein gesundes mittelständisches Unternehmen, das von NRW aus in die Welt expandiert.

Zurück in Kattowitz hatten wir auf dem Gelände einer ehemaligen Zeche, heute Museum, zunächst ein Briefing über die Region durch das Deutsche Generalkonsulat in Breslau. Anschließend ein politisches Gespräch mit dem Vize-Marschall der Wojewodschaft Schlesien und Vertretern des Wirtschaftsausschusses des Sejmik. Der Sejmik ist quasi der Landtag der Region Schlesien. Da beide Regionen gerade im Hinblick auf die Industriegeschichte sehr viel verbindet, gab es reichlich Gesprächsstoff. So unter anderem, wie die Polen den unverkennbar auch bei ihnen vorhandenen Strukturwandel bewältigen.

Der Ort, wo die Gespräche stattfanden, war annähernd dem Vorbild „Zeche Zollverein“ nachempfunden. Angeregt durch Vorbilder aus dem Ruhrgebiet haben auch die Polen angefangen Zechen- oder Industriebrachen zu Kulturorten umzugestalten. Mit guten Erfolg. Deshalb nahmen wir auch gerne nach Ende der Gespräche die Einladung zur Besichtigung des dort neu entstandenen schlesischen Museums an. Das Museum hat die Besonderheit, das es auch in die Tiefe gebaut ist, aber gleichzeitig durch die geschickte Konstruktion von Lichtschächten auf jeder Ebene noch Tageslicht ankommt, bis zum 3. unterirdischen Stockwerk. Ein Besuch lohnt sich!

Donnerstag

Am vorletzten Tag unserer Polenreise fuhren wir nach Gleiwitz. Auch dort war ein altes Industriegebiet zu einem neuen zukunftsweisenden Gewerbegebiet mit Forschungseinrichtungen umgestaltet worden. Dieses Zentrum ist ein Projekt der Stadt Gliwice (Gleiwitz) zur Revitalisierung des früheren industriellen Gebiets im Osten der Stadt und der Förderung von Unternehmen, sowie der Renovierung der historischen Gebäude in diesem Bereich. Das Areal hat eine Fläche von 25 Hektar. Der Bereich gehörte zum ehemaligen Bergwerk Gliwice. In Nowe Gliwice soll in Zukunft eine Bildungs- und Wirtschaftszone entstehen. Zur Bildungszone sollen eine Hochschule für Wirtschaft und Verwaltung und Fremdsprachenkollegs gehören. Die Hochschule soll Platz für 2350 Studenten bieten. Unsere Gesprächspartner aus Wirtschaft und Wissenschaft machten deutlich, dass sie in der engen Kooperation zwischen Gründern und mittelständischen Unternehmen und der Wissenschaft ein vielversprechendes Zukunftsprojekt sehen. Auch hier konnten wir wieder viele Gemeinsamkeiten mit Nordrhein-Westfalen feststellen. Auch bei uns ist ein starker Trend der Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft festzustellen und zwar nicht nur bei den großen Forschungszentren wie Jülich oder der RWTH Aachen, sondern gerade auch zwischen den Fachhochschulen und der mittelständischen Wirtschaft.

Welche Wege polnische Forscher angesichts der sinkenden Fördermenge von Steinkohle, ihres Hauptenergielieferanten, gehen wollen, konnten wir dann am Nachmittag erfahren. Bei dem Besuch des Instituts für Chemical Processing of Coal in Zabrze hörten wir, dass sich das Institut an Forschungsprojekten mit großer Bedeutung für die polnische Wirtschaft beteiligt. Es widmet sich insbesondere den Fragen der effizienten Nutzung von fossilen, erneuerbaren und alternativen Brennstoffen.

Zum Schluss dieses Besuchstages wurden wir noch von der stellvertretenden Stadtpräsidentin von Zabrze sowie Vertretern des Rates und der Verwaltung empfangen. Im Mittelpunkt stand hier wieder die Frage, wie Städte, geprägt von Kohle und Stahl, den Strukturwandel erfolgreich meistern. Heute ist Zabrze vor allen Dingen ein bedeutendes wissenschaftliches und kulturelles Zentrum im Oberschlesischen Industriegebiet. Hier haben inzwischen mehrere Institute der Polnischen Akademie der Wissenschaften ihren Sitz.

Allerdings blieb die Frage nach den Arbeitsplätzen für die vielen freigesetzten Industriearbeiter eigentlich unbeantwortet. Und das Bauen von Shopping-Malls wird nur einem Teil wieder einen Arbeitsplatz geben.

Damit endete der vorletzte Tag in Polen.

Freitag

Am Freitagmorgen hatten wir nach dem Auschecken aus dem Hotel eine Stadtführung durch Kattowitz. Auch hier stand der Strukturwandel im Mittelpunkt. Auf ehemaligen Industriebrachen sind Konzertsäle und Konferenzzentren entstanden. Erneut stellte sich mir die Frage, wo haben die tausenden von Industriearbeitskräften einen neuen Arbeitsplatz gefunden?

Am Mittag wurde es schließlich Zeit, sich auf den Weg in Richtung Flughafen zu machen. Dort mussten wir dann feststellen, dass es zumindest in Sachen „Flug“ eine gewisse Kontinuität gab. Wie auf dem Hinflug hatte auch der Rückflug Verspätung und so kamen wir schließlich erst gegen Abend wieder in Düsseldorf an.

Das tat aber dem Gesamteindruck der Reise keinerlei Abbruch.

Ratinger Bauernmarkt
Ratinger Bauernmarkt

Samstag & Sonntag

Am nächsten Morgen ging es dann für mich direkt in Richtung Bochum, wo unser Landesparteitag stattfand. Nach einer fulminanten Rede unserer Landesvorsitzenden Hannelore Kraft wurde der Landesvorstand neu gewählt. Mit mehr als 98 % der Stimmen wurde Hannelore Kraft erneut das Vertrauen ausgesprochen. Ich selbst wurde erneut als Beisitzerin in den Landesvorstand gewählt.

Die erste Woche klang schließlich für mich bei schönstem Sonnenwetter auf dem Ratinger Bauernmarkt aus. Dieser Markt, bei dem die Landwirte ihre Produkte präsentieren und zeigen, welche leckeren Dinge man daraus machen kann, ist in jedem Jahr ein großer Publikumsmagnet.

Woche 2: 26. September bis 02. Oktober

Montag

Zu Beginn der zweiten Berichtswoche hatte ich erneut meinen Koffer zu packen. Da die SPD Landtagsfraktion in den kommenden zwei Tagen ihre Haushaltsklausur in Brüssel abhielt, erschien ich mit Koffer und Laptop früh morgens am Landtag, um mit den Kollegen per Bus nach Brüssel zu fahren. Dank des cleveren Busfahrers kam unser Bus fast pünktlich in Brüssel an. Angesichts einer auf Grund eines Unfalls gesperrten Autobahn nahm der Fahrer früh eine Ausfahrt und schlängelte sich geschickt durch enge Dorfstraßen um schließlich eine ¾ Stunde vor dem zweiten Bus den Tagungsort zu erreichen.

Nach dem Ende der Haushaltsberatungen des ersten Tages fand in der NRW-Landesvertretung in Brüssel eine Veranstaltung mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Europäischen Kommission Frans Timmermans statt. Mit einer beeindruckenden Rede eröffnete er die anschließende Diskussionsrunde. Er formulierte die wesentlichen Anforderungen an die Politik so:

Mehr Bildungsinvestitionen sind die beste Vorbeugung vor Radikalisierung,

mehr Verteilungsgerechtigkeit ist die beste Vorbeugung vor dem Gefühl breiter Bevölkerungsteile abgehängt und chancenlos zu sein,

mehr wirkliches Engagement in Afrika ist die beste Vorbeugung vor Armutsflucht.

Dienstag

Plenarsaal des europäischen Parlaments
Plenarsaal des europäischen Parlaments

Am folgenden Tag wurde die Klausurtagung der Landtagsfraktion in Brüssel fortgesetzt. Während ein Teil der Fraktion nach Ende der Beratungen sich auf den Rückweg machte, nahm ich gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen gerne das Angebot wahr, das Europäische Parlament zu besichtigen und Kollegen aus dem Parlament zu treffen.

Kurz nach 20 Uhr waren auch wir dann zurück am Düsseldorfer Landtag.

Mittwoch

Der Mittwoch darauf war mit dem Wirtschaftsausschuss und dem Wissenschaftsausschuss wieder ein üblicher Sitzungstag. Während ich für den Wirtschaftsausschuss die kürzlich stattgefundene Anhörung zur migrantischen Ökonomie auszuwerten hatte, konnte ich mich im Wissenschaftsausschuss auf das Zuhören bei der Präsentation des Haushaltsplanes für den Bereich Wissenschaft und Forschung konzentrieren.

Gerade noch rechtzeitig kam ich danach nach Ratingen-Lintorf zu einer Veranstaltung des VCD zum Thema „Westbahn“. Dabei teilte der Bau- und Planungsdezernent der Stadt mit, dass die Städte Duisburg, Ratingen und Düsseldorf einen gemeinsamen Antrag zur Teilnahme an einem Landesprogramm gestellt hätten, das den Ausbau von Infrastruktur mit dem Ziel fördert, den Druck aus den Ballungszentren zu nehmen. Die anwesenden Bürgerinnen und Bürger befürworteten diese Maßnahme einhellig. Wir waren uns alle einig, je schneller die Realisierung kommt desto besser für Ratingen.

Donnerstag

Am nächsten Morgen tagte der Hauptausschuss. Als Sprecherin meiner Fraktion in diesem Ausschuss traf ich mich vorab mit unserem Koalitionspartner um uns über die anstehenden Entscheidungen abzustimmen. Dieses Mal ging es um die Einbringung des Haushaltes im Zuständigkeitsbereich des Hauptausschusses, eine Änderung der Landesverfassung sowie der Auswertung eines Piratenantrags zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Während die ersten Tagesordnungspunkte recht zügig abgehandelt werden konnten, gab es zum Bedingungslosen Grundeinkommen eine längere Aussprache. Ich habe mich gegen den Antrag ausgesprochen. Zum einen, weil der Antrag nicht in den Zuständigkeitsbereich des Landtages sondern des Bundestages fiel. Zum anderen, weil ich auch die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen für falsch und nicht realisierbar halte.

Für den Nachmittag hatte ich zur Sitzung des Vorstandes und des Kuratoriums des Fördervereins des Altenzentrum Haus Salem in Ratingen-Ost eingeladen. Nachdem wir in diesem Jahr bereits größere Ausgaben für die Einrichtung getätigt hatten, stand jetzt wieder das Einwerben von Spenden im Vordergrund der Sitzung.

Angesichts einer Erkältung, die ich seit mehreren Tagen hatte, war ich froh an diesem Tag mal nicht so spät nach Hause zu kommen.

Freitag & Wochenende

Die für Freitagvormittag zugesagte Vertretung eines Kollegen im Kommunalausschuss entfiel kurzfristig, so dass ich den Freitag endlich einmal für das Abarbeiten von Liegengebliebenem auf meinem Schreibtisch nutzen konnte.

Mit dem Wochenende startete auch das alljährliche Ratingen Festival. Die Ratinger Innenstadt glich einer riesigen Bühne, überall Musik.

Trotzdem ließ ich es mir nicht entgehen, zwischendurch nach Heiligenhaus zu den Wildschützen zu fahren, die sich bei einem Wettschießen, dem Geflügelschießen, die Braten für die Weihnachtszeit sichern wollten. Geschossen wird dabei auf Scheiben. Allein die erzielten Punkte entscheiden, ob man in der Vorweihnachtszeit, eine Gans, eine Ente oder ein Hähnchen erhält.

So endeten zwei dicht getaktete Wochen, die aber nichtsdestotrotz für mich mal wieder sehr interessant und anregend verlaufen sind.