
Nach einem einwöchigen Wanderurlaub in den Vorarlberger Bergen war ich gut vorbereitet, um mit dem Hauptausschuss des Landtages zu einer Reise nach Polen und Tschechien aufzubrechen. Im Zentrum der Reise stand der Besuch von Gedenkstätten in beiden Ländern mit dem Ziel zu sehen, wie dort das Gedenken an die Gräuel des 2. Weltkriegs auch für die kommenden Generationen bewahrt wird.
Die erste Station auf dieser Reise war Warschau. Direkt nach der Ankunft empfing uns der Deutsche Botschafter in Polen. Er informierte uns sowohl über aktuelle politische Themen aber insbesondere auch über das deutsch-polnische Verhältnis vor dem Hintergrund der Geschichte.
Danach hatten wir die Gelegenheit, das in Kürze eröffnende neue Museum der Geschichte der polnischen Juden zu besichtigen. Hierbei handelt es sich um ein Museum, das sich der gesamten Geschichte der polnischen Juden widmet. Neben der beeindruckenden Ausstellung stellt allein schon die einmalige Architektur des Hauses eine Besonderheit dar. Es befindet sich übrigens mitten in dem Gebiet, das das ehemalige Warschauer Ghetto umfasste. Gleich neben dem Museum steht das Denkmal der Ghetto-Helden, jenes Denkmal, welches spätestens durch den Kniefall von Willy Brandt, bei uns große Bekanntheit erlangte. Unsere Delegation legte an diesem Denkmal zur Würdigung der Ermordeten einen Kranz in Vertretung der Landtagspräsidentin nieder.
Im Anschluss fuhren wir zum Jüdischen Historischen Institut, wo wir einen Vortag zum Jüdischen Leben in Polen und zum Warschauer Ghettoaufstand vom Direktor Pawel Spiewak hörten. In der sich anschließenden Diskussion bestand die Möglichkeit das Gehörte noch weiter zu vertiefen.
Dieser erste Tag der Reise klang am Abend mit einem gemeinsamen Essen in der Warschauer Altstadt aus.
Am Dienstagmorgen fuhren wir zunächst in das Institut für das Nationale Gedenken. Nach der Vorstellung des Instituts hörten wir einen Vortrag zur deutschen Besatzung während der NS-Zeit und zum polnischen Widerstand. Dem schloss sich ein Besuch am Denkmal des Warschauer Aufstandes an. Um das Gehörte noch einmal zu vertiefen, fuhren wir schließlich noch zum Museum des Warschauer Aufstandes, welches an seinem Ruhetag eigens für unsere Gruppe eine Sonderführung organisiert hatte.
Danach gab es eine kurze Pause, die auch nötig war, um all das Gesehene und Gehörte zu verarbeiten. Eine Stunde später wurden wir bereits im Deutschen Historischen Institut erwartet. Frau Dr. Leiserowitz schilderte die Arbeit ihres Hauses.
Schon nach diesen ersten zwei Tagen konnte ich feststellen, dass wir für unsere Gedenkstättenarbeit in NRW viele wertvolle Anregungen mitnehmen werden können.
Am Mittwochmorgen gegen 6 Uhr hieß es dann auschecken im Hotel und Transfer zum Flughafen um pünktlich den Flug nach Krakau zu bekommen. Mit dem Flug nach Krakau begann der wirklich schwierige Teil unserer Reise. So fuhren wir direkt vom Krakauer Flughafen nach Auschwitz. Der Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz und der anschließende Besuch des Vernichtungslagers Birkenau mit Kranzniederlegung an der Todeswand fiel niemandem von uns leicht. Auch wenn ich schon viele Bücher darüber gelesen und Dokumentationen gesehen hatte, der Besuch vor Ort belastet ungleich mehr. Besonders eindrucksvoll ist das vom Staat Israel gestaltete Gebäude. Hier werden durch multimediale Mittel die Ermordeten in Erinnerung gebracht. Man sieht auf der einen Seite fröhlich feiernde Menschen, dann wieder Tote und ausmergelte Häftlinge.
Ja, meine Generation mag nicht verantwortlich für das Geschehene sein, aber sie und alle folgenden Generationen sind dafür verantwortlich, dass die Lehren daraus gezogen werden und dass das Geschehene nicht in Vergessenheit gerät.
Das anschließende Gespräch mit dem Direktor des Museums und der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau Herr Dr. Cywinski hatte vor allen Dingen die Bewahrung der Erinnerung für kommende Generationen zum Thema. Insbesondere die zahlreichen jungen Besuchergruppen, die an diesem Tag Auschwitz besuchten, geben Hoffnung, dass auch die nachgeborenen Generationen noch angesprochen werden können.
Zum Abschluss des Tages in Auschwitz besuchten wir die Internationale Jugendbegegnungsstätte Auschwitz. Diese Begegnungsstätte wird u.a. sehr intensiv von deutschen Jugendgruppen besucht. Die angebotenen Programme bieten den Jugendlichen die Möglichkeit sich mit unterschiedlichsten Methoden mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.
So habe ich am Ende gerne das Angebot des Leiters der Begegnungsstätte Herrn Szuster angenommen einige Informationsmaterialien für Schulen in meinem Wahlkreis mitzunehmen.
Am Mittwochabend hatten dann alle Teilnehmer der Reise den Wunsch sich ein wenig zurückzuziehen und den Tag zu verarbeiten.
Bereits früh um kurz nach 7 Uhr am Donnerstag machten wir uns auf den Weg zum Flughafen von Krakau um nach Prag zu fliegen. Hatten wir doch an diesem Tag vor, das von den Nationalsozialisten aus Vergeltung für die Tötung von Heidrich vernichtete Dorf Lidice zu besuchen.
Allerdings kam alles anders als geplant. Nach längerem Warten und Vertrösten wurde schließlich unser Flug gecancelled. Nach vielen Telefonaten wurde entschieden, dass wir mit dem Bus von Krakau nach Prag fahren sollten. Was nicht weiter schlimm gewesen wäre, wenn wir nicht den Tag schon durchgeplant gehabt hätten. Also hieß es Landschaft genießen und nach gut 7 Stunden Busfahrt am Abend gegen 18 Uhr in Prag ankommen.
Kurz frischgemacht spazierten wir zur Deutschen Botschaft in Prag (der berühmten Deutschen Botschaft mit dem Balkon). Hier erwartete uns schon der Botschafter zu einem Abendessen im Rahmen dessen er uns über die Lage in Tschechien informierte und insbesondere auf den Themenschwerpunkt unserer Reise einging.
Natürlich ließen wir es uns an diesem Abend nicht nehmen, den berühmten Balkon zu besichtigen, von dem aus Genscher die Ausreise der Botschaftsflüchtlinge verkündet hatte.
Mit einen schnellen Bier in der Prager Altstadt zu später Stunde klang dieser etwas andere Tag schließlich aus.
Der letzte Tag unserer Reise startete mit einer kurzen Stippvisite im Sudetendeutschen Büro Prag. Von hier aus ging es weiter nach Theresienstadt. Der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte Herr Blodig führte uns durch die Kleine Festung und über den Nationalen Gedenkfriedhof, wo wir in Erinnerung an die Ermordeten einen Kranz niederlegten. Im Gegensatz zu Auschwitz ist in Theresienstadt vieles im Originalzustand erhalten. So auch das ehemalige Jungenheim, heute das Ghettomuseum. Die zahlreichen Kinderbilder und Dokumente sind einfach erschütternd. Aber auch weitere Gebäude im Bereich der Großen Festung enthalten Dokumente des Grauens.
So ist in der sogenannten Magdeburger Kaserne eine Ausstellung eingerichtet. Hier wird sehr authentisch ein Frauenschlafsaal gezeigt. Dies haben auch Überlebende des Ghettos bestätigt.
Von Theresienstadt aus fuhren wir schließlich doch noch nach Lidice. Der Besuch, den wir eigentlich am Vortag machen wollten. Dieser Ort und vor allen Dingen seine Bewohner sind als Vergeltungsmaßnahme vernichtet worden. Und so trifft man an Stelle eines Dorfes eine Art „Parklandschaft“ mit Denkmälern, einem Massengrab der ermordeten Männer, einer Gedenkstätte für die getöteten Kinder sowie wenige Steine des ehemaligen Dorfes. Ich glaube jede/r von unserer Gruppe hatte in diesem Moment einen Kloß im Hals. Bevor wir das kleine Museum des zerstörten Ortes besuchten, hatte ich die Ehre gemeinsam mit meiner Kollegin Frau Güla einen Kranz am Grab der ermordeten Männer niederzulegen. Diese Männer waren am Tag nach dem Attentat auf Heidrich zunächst gefangen genommen worden und tags drauf in Gruppen erschossen worden. Sie liegen noch heute an dem Ort begraben, an dem sie damals im Massengrab verscharrt worden waren.
Im Museum von Lidice hat man versucht den ermordeten Kindern, Frauen und Männern wieder Gesichter zu geben. So sieht man den ehemaligen Ort, seine Menschen und das fröhliche Leben vor dem Massaker. Aber auch die von den Besatzern gefilmte Sprengung der Häuser oder fotografierte Liquidierung der Männer. Die Frauen und ein Teil der Kinder wurden ins KZ Ravensbrück deportiert, wo sie zum größten Teil ums Leben kamen. Nur wenige Frauen und Kinder haben überlebt. Einer von ihnen, der damals gerade mal 16 Tage alt war, begrüßte uns in der Gedenkstätte. Ein bewegender Moment.
Mit diesem sehr eindringlichen Tag endete unsere Ausschussreise zur Gedenkstättenarbeit. Beim Rückflug nach Deutschland waren wir uns einig, dass wir erst einmal zur Ruhe kommen müssen und es noch lange Zeit brauchen wird, diese Eindrücke zu verarbeiten.
Auch ich hatte den sich anschließenden ruhigen Samstag auf jeden Fall bitter nötig.
Am Sonntag stand dann bereits wieder „business as usual“ an. Der SPD-Kreisvorstand hatte seine alljährliche Klausurtagung.